Cabernet Rebsorten – eine Familiensaga
Am 31. Juli 2025 · von Daniel MünsterCabernet Sauvignon? Ja, damit kann so gut wie jeder Weinfreund etwas anfangen. Auch Cabernet Franc dürfte den meisten geläufig sein, zumindest jenen, die sich in Frankreich auskennen. Aber Cabernet Carbon oder Cabernet Dorsa oder gar Cabernet Blanc?
Über die Rebsortenfamilie Cabernet lässt sich weit mehr berichten, als man glauben mag. So sind auch die zahlreichen Cabernet-Neuzüchtungen mehr als nur ein Wort wert, zumal es gerade auch deutsche Winzer sind, die in dieser Hinsicht bemerkenswerte Ergebnisse erzielt haben. Zunächst richtet dieser Beitrag aber sein Hauptaugenmerk auf die klassischen Varietäten der Rebsorte.
Cabernet Sauvignon – stilprägender Weltmarktführer
Es ist nicht ungerecht, sondern schlicht unumgänglich, in einem Beitrag über die Rebsortenfamilie Cabernet dem prominentesten Mitglied der Sippe, die größte Aufmerksamkeit zu schenken. Denn ohne den Cabernet Sauvignon wäre die Weinwelt nicht die, die sie heute ist. Wie keine zweite Rebsorte hat sie in den zurückliegenden Jahrzehnten einen stilprägenden Einfluss auf die Arbeit von Erzeugern und die Vorlieben von Konsumenten ausgeübt. Das lässt sich auch konkret in Zahlen bemessen: Mit weltweit mehr als 300 000 Hektar bepflanzter Rebfläche ist der Cabernet Sauvignon die unangefochtene Nr. 1 unter den internationalen Rebsorten.
Von Bordeaux in die ganze Welt
Die Cabernet-Sauvignon-Traube ging genealogisch aus einer natürlichen Kreuzung von Cabernet Franc mit der weißen Rebsorte Sauvignon Blanc hervor – somit ist zumindest schon einmal die Herkunft des Namens geklärt. Familiäre Wurzeln können demzufolge im Loiretal verortet werden, eine herausragende Stellung sollte die Rebsorte dann jedoch im Bordeaux erlangen und in der Folge auch nicht mehr aus der Hand geben. Gemeinsam mit dem ebenso dort heimischen Merlot prägt sie bis heute die einzigartige Charakteristik der Bordelaiser Rotweine, mithin die zahlreicher Weinregionen, die sich diesen Stil zu eigen gemacht und lokal adaptiert haben. So etwa in Chile, wo der Cabernet Sauvignon auf mehr als 40 000 Hektar angebaut wird. Die US-amerikanischen Weingebiete, allen voran im kalifornischen Napa Valley und in Washington State, kommen auf eine ähnliche Quote, gefolgt von Spanien, Südafrika, Australien und Argentinien. Der Einfluss des Cabernet Sauvignons auf die italienische Weinwelt lässt sich weniger in Masse, denn in Qualität erklären. Man denke dabei an die Bordeaux-inspirierten Supertoskaner, die zu Beginn der 1970er-Jahre eine mindestens mittelgroße Weinrevolution auslösen sollten.
Cabernet Sauvignon – reinsortig oder als Cuvée-Partner
So untrennbar die Beziehung zwischen Cabernet Sauvignon und Bordeaux auch sein mag, ist doch festzuhalten, dass er dort nur in Ausnahmefällen reinsortig in die Flasche gelangt. Fast immer vermählt er sich mit dem Mitspieler Merlot, häufig auch mit Cabernet Franc und auch der Petit Verdot findet sich regelmäßig in einer klassischen Bordeaux-Cuvée wieder. Seine Flexibilität, sich mit anderen Gattungen zu paaren, ist in der Tat bemerkenswert, bedenkt man doch seinen so eigenwilligen Charakter. Bereitwillig stellt er sich in Italien an die Seite von Sangiovese, in Spanien an die des Tempranillos und selbst Cuvées mit Syrah bringen bisweilen vorzügliche Ergebnisse hervor. In französischen Landesteilen jenseits des Bordelais hingegen, so etwa in Languedoc-Roussillon und in Cahors, erfreuen sich reinsortig mit Cabernet Sauvignon ausgebaute Rotweine wachsender Beliebtheit. Und umso mehr gilt dies in der Neuen Welt, wo die Rebsorte nicht zuletzt pur besonders geschätzt wird.
Deutscher Cabernet Sauvignon als Ausdruck des Klimawandels
Die Auswirkungen des Klimawandels, die auch im Weinland Deutschland unübersehbar geworden sind, bieten nunmehr auch den Winzern hierzulande klimatische Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Kultivierung von Cabernet Sauvignon, so etwa in der Pfalz. Das Weingut Rings aus Freinsheim – im Shop von Weinfreunde.de stark vertreten – zeigt dies mustergültig mit seinen prämierten Rotweinen von der Lage „Schwarzes Kreutz“.
Cabernet Franc – von wegen kleiner Bruder
Beim Cabernet Franc wandert der Blick ebenso in Richtung Bordelais. Die Rebsorte spielt dort eine wichtige, gleichwohl nachrangige Rolle bei der Komposition klassischer Bordeaux-Cuvées vom linken Ufer. Er wird darum oft als kleiner Bruder des Cabernet Sauvignons bezeichnet, was gleichermaßen falsch wie respektlos ist, denn in Wahrheit bildet er neben Sauvignon Blanc – das hatten wir bereits geklärt – einen Elternteil, im Zweifel ist er also der Vater. Polygam veranlagt, hat sich der Cabernet Franc allerdings nicht nur mit der Sauvignon-Blanc-Traube eingelassen, sondern auch Umgang mit einer gewissen Magdeleine Noire des Charentes gepflegt – und mit ihr den Merlot gezeugt.
Auf der Médoc-Halbinsel reiht sich der Cabernet Franc nach dem Bruderpaar Cabernet Sauvignon und Merlot (in dieser Reihenfolge) zumeist bereitwillig auf Platz drei ein. Am rechten Ufer der Dordogne hingegen, allen voran in Saint-Émilion und Pomerol, schmiegt er sich bevorzugt direkt an den Lokalmatador Merlot und verdrängt den Cabernet Sauvignon auf den letzten Rang – nicht selten auch ganz.
Rotweine aus dem Loiretal – Heimvorteil für Cabernet Franc
Anders die Lage an der Loire: Dort ist der Cabernet Franc der unbestrittene Star unter den Roten und wird zumeist auch reinsortig vinifiziert. Außerhalb der Grenzen Frankreichs spielt die Rebsorte bislang nur eine Statistenrolle – man staune: Brasilien rangiert auf Platz zwei der inoffiziellen Cabernet Franc Hektar-Meisterschaften weltweit! Önologen prophezeien der Rebsorte eine gute Entwicklungsperspektive, nicht zuletzt – da wären wir wieder – mit Blick auf den Klimawandel. In einer wärmer werdenden Welt gelingt es ihr besser als anderen Rebsorten ihre Frische zu bewahren. Das wiederum könnte ihr auch zu einer in Zukunft größeren Rolle im Bordelais verhelfen, denn Cabernet Sauvignon und Merlot zählen zu den Hauptleidtragenden der Erderwärmung.

Im Loire Tal ist Cabernet Franc die meistangebaute rote Rebsorte
Die Cabernet-Neuzüchtungen
In der jüngeren Vergangenheit haben vor allem deutsche, österreichische und schweizerische Winzer wie Önologen durch Kreuzungen verschiedenster Rebsorten neuartige Cabernet-Varietäten entstehen lassen. Eines der Hauptziele dieser „Schöpfungen“ war und ist es, besonders robuste Rebsorten zu züchten. Der Fokus lag dabei insbesondere darauf, die Frostfestigkeit der Trauben zu stärken und/oder ihre Resistenz gegen Pilzbefall zu optimieren; es ist darum auch von „pilzwiderstandsfähigen“ (PIWI-) Sorten die Rede. Das Grundprinzip der Neuzüchtungen fußt auf einer Kreuzung von Cabernet Sauvignon mit regionalen Rebsorten, die natürliche Eigenschaften im Sinne der spezifischen Züchtungsziele aufweisen. So etwa erfolgte beim Cabernet Carbon eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon mit der wenig bekannten, aber bekanntermaßen pilzwiderstandsfähigen Weißwein-Rebsorte Brommer.
Beim Cabernet Blanc, der einzigen weißen Neuzüchtung, wurde Cabernet Sauvignon mit Regent gepaart, wodurch eine Rebsorte mit großer Widerstandskraft gegen Botrytis und Winterfrost entstanden ist. Beim sogenannten Cabernet Dorsa galt es zuvorderst, das Mostgewicht der Dornfelder-Traube im Wege einer Kreuzung mit Cabernet Sauvignon zu erhöhen. Spätere DNA-Analysen sollten jedoch feststellen, dass die „Schöpfer“ geflunkert und die Rebsorte Blaufränkisch eingekreuzt hatten.
Rebsorten-Neuzüchtungen im Zeichen des Klimawandels
Zu den Cabernet-Neuzüchtungen kann streng genommen auch die Marselan-Traube gezählt werden, die 1961 aus einer Kreuzung von Grenache und Cabernet Sauvignon entstand und seit 1997 in ganz Südfrankreich zugelassen ist. Sie paart stilistische Eigenschaften beider Rebsorten mit der vergleichsweise größeren Hitzebeständigkeit des Grenache, womit wir abschließend wieder beim Klimawandel gelandet wären. Und damit bei der Herausforderung schlechthin, auf die Neuzüchtungen von Rebsorten eine unter mehreren, sicher aber nicht die einzige Antwort sein können.