Der Supertoskaner: Piero Antinori

Am 28. Juni 2020 · von Sven Reinbold

Unser Italien liebender Weinfreund Sven stellt heute eine Weinpersönlichkeit vor, dessen revolutionäre Verdienste für die internationale Weinwelt seines gleichen suchen: Piero Antinori.

Man könnte meinen, ein „Antinori“ sei die Maßeinheit für die längst mögliche Weinbautradition. Immerhin widmet sich die Familie von Piero Antinori der Herstellung und dem Verkauf von Weinen seit dem 12. Jahrhundert. Bereits 1385 zählt das toskanische Adelsgeschlecht zur Florentiner Zunft der Winzer und Weinhändler, verdient aber vor allem mit dem Handel von Seide und Bankgeschäften im In- und Ausland ihr Geld. 1506 erwirbt Nicolò Antinori in Florenz einen prachtvollen Palast in der Nähe des Domes, der bis heute den Namen der Familie trägt, den „Palazzo degli Antinori“.

Als Großherzog Cosimo III. von Medici 1716 mit Chianti, Pomino, Val d’Arno und Carmignano erstmals vier Anbaugebiete der Toskana als Herkunftsbezeichnung schützt, trifft dies auch auf die Weine der Antinori zu. Aber längst schon hat man weitere Weingüter erworben – noch so eine Tradition, die auf Piero Antinori überspringt.

Familie Antinori

Piero Antinori mit seinen drei Töchtern, die bereits alle in der Geschäftsführung von Antinori tätig sind.

Piero Antinori: revolutionäre Tradition

Die meisten mag solch ein Erbe erdrücken, nicht so Piero Antinori. Vielmehr scheint ihn die Tradition herauszufordern. Es zeichnet diesen Weinmacher geradezu aus, dass er die Tradition von Jahrhunderten erfolgreich fortsetzt, indem er mit ihnen bricht. Mit nur 28 Jahren folgt Piero seinem Vater Niccolò als Präsident des Weinunternehmens „Marchesi Antinori“. Das war 1966. Zwanzig Jahre später wählt ihn das Fachmagazin Decanter zum „Man of the year“.

Noch unter Vater Niccolò hatte man begonnen, mit modernen Methoden und Techniken wirkungsvoll an der Qualitätsschraube zu drehen. Die Antinoris setzen auf temperaturkontrollierte Gärung, experimentieren mit anderen Fässern und der malolaktischen Gärung für Rotweine, verbessern die Flaschenabfüllung ebenso wie die Arbeit in den Weinbergen. Dann erfolgt 1967 die offizielle Einführung der DOC Chianti („Denominazione di Origine Controllata“) und mit ihr die Vorgabe, mindestens 70 Prozent Sangiovese in die Rotwein-Cuvées einzubringen.

French Connection: die Geburt des „Supertoskaners“

Doch wer mit Traditionen brechen will, darf Vorschriften nicht scheuen. Antinori beginnt Rotweine zu machen, die deutlich höhere Anteile an französischen Rebsorten enthalten als von der Weinbehörde erlaubt. Das beginnt 1970 mit dem „Tignanello“, der viel, aber dennoch zu wenig Sangiovese beinhaltet, und setzt sich im „Solaia“ noch konsequenter fort: Der erste Jahrgang des Weines von 1978 besteht ausschließlich aus Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Die beiden Weine markieren die Geburt der „Supertoskaner“ und stehen für eine regelrechte Revolution in der Weinwelt. Die internationale Karriere des „Solaia“ und des „Tignanello“ sucht seines gleichen, 1997 gilt der „Solaia“ – mittlerweile mit geringen Anteilen von Sangiovese – dem Wine Spectator gar als bester Wein der Welt.

Umbrien Italien

Auch außerhalb der Toskana haben die Antinoris Weingüter, beispielsweise in Umbrien

Es folgen weitere Projekte, wie zum Beispiel der „Cervaro della Sala“ in Umbrien. Und ganz traditionsbewusst erweitert Piero Antinori den Reigen der familieneigenen Weingüter mit Zukäufen nicht nur im Chianti. Auch aus dem Piemont und Apulien, sogar aus Chile und dem kalifornischen Napa Valley stammen Weine, auf denen sich der Name mit internationalem Klang wiederfindet.

Mittlerweile hat mit Piero Antinoris Töchtern Albiera, Allegra und Alessia bereits die nächste Generation Verantwortung bei Marchesi Antinori übernommen. Es ist übrigens die 26. Generation, die aufgefordert ist, an die revolutionäre Tradition des Vaters und das Vermächtnis der Familie anzuknüpfen. Keine einfache Aufgabe einem Piero Antinori zu folgen, aber wenn, dann schafft es natürlich eine Antonori.

Die Einstiegsweine des Hauses

Wem die Spitzenweine von Marchesi Antinori zu kostspielig sind – immerhin rufen die genannten Weine je nach Jahrgang Preise von hundert bis mehreren hundert Euro pro Flasche auf – kann erst einmal diese hervorragenden Einstiegsweine des Hauses probieren.

Mit dem Cuvée aus Sangiovese, Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah ist der rote Villa Antinori Rosso quasi ein „Mini-Supertoskaner“. Ein Wein, der immer für Trinkgenuss sorgt. Wer lieber einen Weißwein zum Einstieg mag, dem empfehlen wir den Villa Antinori Bianco. Insbesondere die Rebsorten Trebbiano und Malvasia bestimmen diesen Weißwein-Traum. Unwahrscheinlich blumig, fruchtig und frisch kommt der Wein daher und macht auch zum Essen eine gute Figur.

Weigläser auf Holzfass

Als Einstiegswein eignet sich sowohl der Villa Antinori Rosso als auch der Villa Antinori Bianco

Ein Supertoskaner: Solaia von Antinori

Maßgeblich ist diese Anerkennung der Antinoris in der Weinwelt mit den sogenannten Supertoskanern verbunden. Als neue Vorgaben der Weinbehörde hohe Prozentanteile französischer Rebsorten in den Weinen der Toskana verbieten, ignoriert Piero Antinori diese Auflage einfach. Er pfeift auf die offizielle Qualitätsbezeichnung als DOC- oder DOCG-Wein und macht seinen eigenen Toskaner mit Cabernet Sauvignon, Merlot und Petit Verdot, so wie er es für richtig hält. Das ist die Geburtsstunde der Supertoskaner.

Neben dem „Tignanello“ ist es vor allem der „Solaia“ von Antinori, der als Ikone dieses neuen, an Bordeaux orientierten Stils der Toskana gilt. Dabei ist es gar nicht so einfach, an Flaschen des begehrten Weines zu kommen. Zwar ist der gleichnamige Weinberg der Tenuta Tignanello mit 20 Hektar nicht besonders klein, doch den strengen Qualitätsansprüchen der Antinoris genügen eben nicht alle Trauben. Es hat sogar Jahre gegeben, in denen man gänzlich auf den „Solaia“ verzichtete.

Für alle, die mehr mit dem klassischen Chianti Classico sympathisieren, finden im Shop den Chianti Classico Riserva, ebenfalls vom Antinori Weingut Tignanello.

Zweimal dickes B: Antinoris Barolo und Barbaresco

Piemont

Auch im Piemont hat Antinori ein Weingut – das Weingut Prunotto

Ortswechsel, es geht zum Antinori Weingut Prunotto im Piemont. Nahe der Stadt Alba im Anbaugebiet Langhe entstehen klassisch elegante Rotweine aus der Paraderebsorte der Region, dem Nebbiolo. Oft spricht man vom Barbaresco als dem kleinen Bruder des Barolo, doch der missliebige Unterton darin, hat schon lange seine Berechtigung verloren. Einen direkten Vergleich auf Spitzenniveau ermöglichen der Barolo und der Barbaresco von Prunotto.

Das Weingut, 1904 als Kooperative gegründet, entwickelt sich in den 1920er Jahren unter Alfredo Prunotto zu einer der renommiertesten Kellereien der Langhe. Mehre Eigentümerwechsel folgen, doch 1989 beginnt man in Prunotto mit der Familie Antinori zusammenarbeiten. Nur sechs Jahre später erwirbt die Weindynastie das Weingut komplett. Mittlerweile wird es von der ältesten Tochter des Marchese, Albiera Antinori, und dem Önologen Gianluca Torrengo geleitet.

Von drei verschiedenen Weinbergen stammen die Nebbiolo-Trauben für den Barolo. Die sorgfältige Auswahl des Rebmaterials spiegelt sich in der ungeheuren Aromenvielfalt des Weins wieder. Dunkle Waldfrüchte und florale Noten sind in der Nase präsent und am Gaumen zeigt der Wein Opulenz und samtene Fülle. Ein Traum, der durchaus noch etwas im Weinkeller ruhen darf – wenn es sein muss, auch noch gute zehn Jahre.

Gleichfalls mit samtener Mundfülle kommt der Barbaresco von Prunotto daher. Wie beim Barolo stammen die Trauben aus unterschiedlichen Lagen und werden sorgfältig selektiert. Ein lange Maischestandzeit sorgt für den intensiven granatfarbenen Ton und die vielfältigen Fruchtanklänge. Jeweils zehn Monate Reife im Fass sowie auf der Flasche durchläuft der Barbaresco, bevor er die Weinfreunde beglückt. Auch der Barbaresco hat seine besten Tage noch nicht gesehen und kann noch einige Jahre auf den großen Moment des Genießens warten.

Maremma Mia: Die Weine der Tenuta Guado al Tasso

Toskana

Zurück in die Heimat der Winzerfamilie, in die Toskana

Es geht zurück in die Toskana, genauer gesagt in die Maremma. Nahe des Ortes Bolgheri liegt die Tenuta Guado al Tasso, die gleichfalls zum Weinreich der Antinori zählt. Nahe des Tyrrhenischen Meeres wachsen dort die Reben auf kargen, steinigen Böden. Die Nummer 1 des Weinguts ist der Bolgheri Superiore, eine Cuvée – ganz im Stil der Supertoskaner – aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah und Petit Verdot. Nur die besten Trauben kommen für den Bolgheri Superiore in Frage. Sie werden per Hand aus dem bereits entrappten Rebmaterial ausgesucht.

Der Wein reift etwa 18 Monate in französischen Barriques und erfährt zudem eine Flaschenreife von weiteren elf Monaten. Tiefe, dunkle Fruchtnoten treffen auf Gewürze und Kakao. Ein saftiger Wein, der sich am Gaumen voll und mit reifen Früchten zeigt.

Vom Weingut Guado del Tasso kommt auch der Il Bruciato Bolgheri, der sich perfekt eignet, um das Anbaugebiet Bolgheri und den Stil des Weinguts kennenzulernen. Aus den französischen Rebsorten Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah entsteht die besondere Cuvée für den Il Bruciato Bolgheri. Das Weingut vinifiziert zunächst die Rebsorten getrennt und baut sie danach in Barriquefässern aus. Erst dann finden die Weine zur endgültigen Cuvée zusammen und erfahren nochmals Flaschenreife. Der Zweitwein von Guado del Tasso besitzt nicht die gleiche Finesse wie sein großer Bruder, der Bolgheri Superiore. Doch in dieser Preisklasse ist er eine unbedingte antinorische Empfehlung.

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