Spätlese Weine: vom Glück im Unglück

Am 3. Dezember 2025 · von Theresa Weber

Der Klassifizierung deutscher Prädikatsweine haben wir in diesem Magazin schon mehrfach Beachtung geschenkt. Mit der Spätlese behandeln wir nunmehr eine vinophile Spielart, die innerhalb der sieben Prädikatsstufen in Hinblick auf den Oechslegrad zwischen dem Kabinett und der Auslese liegt. Was nach Mittelmaß klingt, ist in Wahrheit Kult.

Der Begriff Spätlese bezieht sich – ursprünglich – auf eine späte bzw. spätere als gemeinhin übliche Traubenernte. Durch die längere Reifezeit am Rebstock gewinnen die Trauben an Zuckergehalt, Extraktreichtum und aromatischer Intensität, wodurch in der Folge hochwertige Weine von besonderer Komplexität und gehobenem Reifepotenzial entstehen können. Weinhistorisch ist die Spätlese ein kurioser Zufall, eine Beinahe-Katastrophe, die sich schließlich als glückliche Fügung erweisen sollte. Allein diese Episode könnte Bücher füllen, auch wir kommen nicht umhin, sie zu erzählen, doch blicken wir zunächst auf die weinfachlichen Fakten.

Was ist eine Spätlese?

Es wurde schon gesagt: Ein Spätlese-Wein ist ein Wein, der infolge einer meist längeren Reifung der Trauben am Rebstock einen höheren Gehalt an Zucker aufweist. Wörtlich genommen meint die „späte Lese“, dass diese nach der Hauptlese erfolgt. Doch können externe Einflüsse bisweilen (jahrgangsabhängig) dafür sorgen, dass Trauben für eine Spätlese sehr wohl schon zur Hauptlese geerntet werden können – wenn, und das ist der springende Punkt – das für die Spätlese vorgeschriebene Mostgewicht bereits erreicht ist.

Somit definiert sich die Spätlese zwar de facto über den Erntezeitpunkt, de jure jedoch über die Zuckerkonzentration in der Traube (zum Zeitpunkt der Ernte). In den meisten Weinbaugebieten Deutschlands gilt dafür ein Wert von mindestens 85 Grad Oechsle, im Badischen jedoch sind rebsortenabhängig bis zu 95 Grad vorgeschrieben. Das Weinrecht legt somit strenge Regeln fest, damit Weine das Prädikat Spätlese tragen dürfen. Unter anderem sieht es vor, dass die Trauben zur Leseprüfung angemeldet und erst nach einem von der jeweiligen Gemeinde festgelegten Spätlesetermin gelesen werden dürfen. Typischerweise liegt dieser Termin, so etwa für die Spätlese an der Mosel, zwischen Mitte und Ende Oktober, bevor zu Beginn des Novembers bereits vielerorts mit der Ernte von Auslesen und Beerenauslesen begonnen wird.

Welchen Stellenwert haben Spätlese Weine?

Blickt man auf die Qualitätspyramide, findet sich die Spätlese über dem deutschen Qualitätswein QbA und dem darüber rangierenden Kabinett wieder, jedoch unterhalb von Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese sowie dem Eiswein an der Spitze. In der besagten Pyramide repräsentiert die Spätlese demzufolge eine mittlere Prädikatsstufe – und damit auch Güteklasse. Doch trifft eine solche Betrachtung nur sehr bedingt eine Aussage über objektive Qualität, geschweige denn über Geschmack. Man kommt demzufolge auch nicht umhin, diese Art der Klassifizierung als das Werk einer Weintechnokratie zu verstehen, die sich vornehmlich an agrarwissenschaftlichen Messwerten festmacht, aber genussrelevante Aspekte wie Rebsorten, Lagen und Terroirs schlicht ignoriert. Gemeint ist wiederum das Mostgewicht, also die Zuckerkonzentration in der Traube, mithin der ominöse Oechsle-Grad, der analog der offiziellen Qualitätsleiter kontinuierlich ansteigt. Bei der Auslese sind regionsabhängig jedoch auch „nur“ 90 bis 100 Grad Oechsle vorgeschrieben; es bedarf bezweifelt werden, dass sich aus diesem marginalen Unterschied eine objektive Überlegenheit gegenüber der Spätlese ableitet. Vielmehr dokumentiert sich in der Gegenüberstellung der beiden unmittelbar konkurrierenden Prädikatsstufen die Maßgeblichkeit des persönlichen Geschmacks. So ziehen nicht wenige Weinfreunde eine tendenziell frischere Spätlese – mit etwas moderaterer Süße und leicht höherem Säuregrad – einer Auslese mit mehr Körper und Extrakt vor – ungeachtet deren vermeintlich höherer Qualität.

Sind Spätlese Weine immer süß?

Die Antwort ist simpel: nein, aber zumeist. Grundsätzlich können Spätlesen trocken, halbtrocken und restsüß ausgebaut werden. Wie schon wiederholt angeführt, weisen spät gelesene, demzufolge vollreife, teils auch überreife Trauben einen recht hohen Zuckergehalt auf. Jedoch ist er selten so hoch, dass die Herstellung eines trockenen Weins nicht möglich ist. Denn: Aus Zucker entsteht während des Gärprozesses Alkohol. Soll der Wein restsüß bleiben, stoppt der Winzer die Gärung, etwa durch Herunterkühlen. Wenn eine trockene Spätlese erwünscht ist, wird die Fermentation einfach laufen gelassen, bis die Hefen allen Zucker verbraucht haben.

Fraglos hat sich der traditionell „süße“ Weinbau in Deutschland inzwischen an die trockenen Standards anderer großer Weinnationen angenähert, weshalb sich auch trocken ausgebaute Spätlesen nunmehr wachsender Beliebtheit erfreuen. Wer in dieser Hinsicht ganz sicher gehen will, achtet auf dem Etikett auf eine explizite Kennzeichnung des Weins als „trocken“ oder mindestens „halbtrocken“, andernfalls (und meistenfalls) handelt es sich garantiert um eine süße bzw. restsüß ausgebaute Spätlese, die weiterhin den Standard definiert.

Weißweingläser

Grundsätzlich können Spätlesen trocken, halbtrocken und restsüß ausgebaut werden.

Aus welchen Rebsorten entsteht eine Spätlese?

Die mit Abstand meistverwendete Rebsorte für Spätlese-Weine ist Riesling. Aufgrund der überragenden Bedeutung des „Königs der Weißweine“ an der Mosel, im Rheingau und auch der Pfalz gelten diese Weinbaugebiete zugleich als Hochburgen der weißen Spätlese-Tradition. Auch Silvaner, Grauburgunder, Scheurebe, Chardonnay und Gewürztraminer werden vielerorts im Weinland Deutschland für die Vinifizierung von Spätlesen eingesetzt. Die Bedeutung roter Spätlesen ist gering, wenngleich auch diese eine treue, indes deutlich kleinere Fangemeinde auf sich vereinen. Analog zum Riesling ist es hier der fruchtig-samtige Spätburgunder, der sich ganz zuvorderst – trocken ausgebaut – im Spätlese-Glas wiederfindet. Ihn findet man ebenso bevorzugt im Rheingau, aber auch im Badischen sowie im Ahrtal. Spätlesen aus Württemberg hingegen setzen auf die heimischen Gewächse, namentlich Trollinger und Lemberger.

Wann und wie entstand die Tradition der Spätlese Weine?

Nun endlich kommen wir zur Geschichte der Spätlese, die sich nach offizieller Lesart auf die Weinernte des Jahres 1775 zurückverfolgen lässt und im Rheingau ihren Anfang nimmt, genauer gesagt auf Schloss Johannisberg. Im Gegensatz zu den anderen Weingütern der Region, bedurfte die Traubenernte dort der gesonderten Erlaubnis des Bischofs im fernen Fulda – dem seinerzeitigen Eigentümer des Schlosses. Der ebendort mit der Lesererlaubnis entsendete Bote erreichte sein Ziel jedoch erst nach vierzehn Tagen, wobei höchst widersprüchliche Erklärungen lautbar wurden, welche Hindernisse den Mann und sein Pferd zwischenzeitlich aufgehalten hatten. Währenddessen mussten die wartenden Mönche auf Johannisberg mit ansehen, wie ihre kostbaren Trauben am Rebstock von Tag zu Tag schrumpften und überdies von Fäulnis befallen wurden. Die Ernte schien bei Eintreffen des Kuriers schon verdorben, wurde aber dennoch eingeholt. Zum Glück, muss man sagen, denn schon wenige Wochen später staunte der Kellermeister über die Güte des Weins aus den faulen Trauben, die alles Vorangegangene um Längen übertraf. Die Edelfäule, mithin die guten Eigenschaften des Schimmelpilzes Botrytis Cinera war für den Weinbau im Rheingau entdeckt. Bis heute erinnert ein Reiterstandbild des Kuriers aus Fulda an das Glück im Unglück auf Schloss Johannisberg, das in der Folge nicht nur der Spätlese den Weg ebnete, sondern auch der Auslese, der Beerenauslese, der Trockenbeerenauslese und dem Eiswein.

Fragt man nun noch einmal nach dem Stellenwert der Spätlese in der Qualitätspyramide, kann konstatiert werden, dass es dieselbe ohne die Spätlese gar nicht gäbe. Vollständigkeitshalber sei noch erwähnt, dass die Trauben für eine Spätlese nicht zwangsläufig von Edelfäule befallen sein müssen, aber können. Das gilt gleichermaßen für die Auslese und die Beerenauslese, nicht aber für die Trockenbeerenauslese, für die ein Botrytis-Befall unabdingbar ist.

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