#Angeberwissen: Was bedeutet Dosage?
Am 5. Juni 2025 · von Theresa WeberOb deutscher Sekt, Champagner, Crémant oder Cava – die Faszination der perlenden Schönheiten im Glas kennt fast keine Landesgrenzen. Ein guter Schaumwein steht weltweit für einen der sensorisch ambitioniertesten Genüsse überhaupt, nicht minder anspruchsvoll ist er in seiner Herstellung. In diesem Zusammenhang fällt zuweilen der Fachbegriff Dosage, dem wir hier auf den Grund gehen wollen.
Das aus dem Französischen stammende Wort Dosage lässt sich auch ohne Google Translate leicht entschlüsseln und mit Dosis bzw. Dosierung treffend übersetzen. Hierbei reflexartig an den Alkoholgehalt zu denken, mag naheliegend erscheinen, aber damit liegt man leider grundfalsch. Die nächste schlechte Nachricht: Um die Bedeutung der Dosage bei der Herstellung eines Schaumweins zu erklären, bedarf es nicht nur einer Definition, sondern gleich deren zwei. Zu unterscheiden sind separate Eingriffe in den Prozess der Vinifizierung, die jeweils eigenen Zwecken dienen. Konkret: Fülldosage und Versanddosage. Als sei es nicht schon diffizil genug, gibt es für beide Begriffe häufig verwendete Synonyme: Liqueur de tirage respektive Liqueur d’expédition, wobei „Liqueur“, wie sollte es anders sein, nicht mit Likör zu übersetzen ist, sondern schlicht Flüssigkeit meint.
Die Physik der Perlen – die Fülldosage
Im Vergleich zur Herstellung eines stillen Weins birgt die Bereitung eines Schaumweins zumindest in einer Hinsicht eine deutlich höhere Komplexität. Das Stichwort lautet Kohlensäure – und für die ist die sogenannte Fülldosage zuständig. Bei der so bezeichneten handelt es sich um eine Lösung aus Zucker, Traubenmost und Hefe, die dem fertigen, sprich einmal gegorenen Grundwein, zugeführt wird, um – nächstes Stichwort – die sogenannte zweite Gärung auszulösen. Hierbei wandelt die Hefe den Zucker in Alkohol um und bildet dabei die besagte Kohlensäure. Bei flaschenvergorenen Schaumweinen werden die bereits abgefüllten Flaschen nach Beigabe der Fülldosage sofort verkorkt, wodurch die entstehende Kohlensäure nicht mehr entweichen kann und sich in der Folge mit dem Wein organisch verbindet. Je länger der Wein sodann auf der Hefe lagert, desto feinperliger entwickelt sich der Schaum, für den unsere französischen Nachbarn das charmante Wort Mousseux gefunden haben. Bei herkömmlichen und weniger aufwendigen Methoden der Schaumwein-Herstellung wird der Wein in Gegendrucktanks mit der Fülldosage versetzt, wo folglich dann auch die zweite Gärung stattfindet – sprich außerhalb der Flasche.
Versanddosage – der Feinschliff für edle Schaumweine
Vorweg: Die Versanddosage kommt nur bei der Flaschengärung zum Tragen und bildet somit einen Arbeitsschritt in der Vinifizierung von besonders hochwertigen Schaumweinen, allen voran bei der Herstellung von Champagner und Crémant – aber nicht nur. Sie erfolgt nach dem sogenannten Dégorgement, auch Degorgieren genannt, bei dem der Hefesatz aus der Flasche entfernt wird. Den Liqueur d‘expédition nun in die Flasche zu bringen, ist ein ähnlicher Vorgang wie bei der zuvor erfolgten Fülldosage bzw. dem Liqueur de tirage. Jedoch dient die Prozedur einem anderen Zweck, zumeist auch deren zwei. Die neuerliche Beigabe von Most, Zucker und gelegentlich kleinerer Mengen von Weindestillat gilt zunächst der Feinabstimmung von Farbe, Geschmack und Süßegrad, folglich auch der Bestimmung des Zuckergehalts. Überdies sorgt die Versanddosage dafür, dass die Flasche nach der Entfernung des Hefesatzes – wenn nötig – wieder aufgefüllt werden kann. Ist dies nicht geboten, wird für den Platz, den die Versanddosage zum besagten Finetuning aber zwingend braucht (in der Flasche), etwas Schaumwein abgesaugt. Sofort nach der Versanddosage wird die Flasche neu verkorkt und der in ihr abgefüllte Schaumwein ist sodann im übertragenen Sinne „versandfähig“, mithin – voilá – fertig hergestellt.
Dosage versus Natur: Zéro Dosage
Bei der Erörterung der Dosage, im Kontext der Vinifizierung von Schaumweinen, kommen wir nicht umhin, einen weiteren Begriff zu klären, der sich bisweilen auf Flaschenetiketten wiederfindet; die Rede ist von Zéro Dosage. Mit diesem Merkmal schmücken sich zunehmend viele Schaumweine, wobei mit Pas dosé oder auch Brut nature wiederum Synonyme kursieren, die eher zur Verwirrung, denn zur Erhellung beitragen. Kurzgefasst: Zéro Dosage bezeichnet einen flaschenvergorenen Schaumwein, der keine Versanddosage erhalten hat (aber zuvor natürlich eine Fülldosage, ohne die er schließlich kein Schaumwein geworden wäre). Ihm wurde folglich am Ende der Vinifizierung nicht noch einmal Zucker zugefügt, wodurch es sich um einen sehr trockenen Schaumwein handelt, dessen Restzuckergehalt bei unter drei Gramm pro Liter liegt. Wenn nach dem Dégorgement die Flasche aufgefüllt werden muss, erfolgt dies in diesem Fall ausschließlich durch Zugabe von bereits fertig hergestelltem Schaumwein aus anderen („versandfähigen“) Flaschen. Wenig überraschend geht die Tradition von Schaumeinen, die mit – oder ohne (Zéro) Versanddosage hergestellt wurde, wie auch die Methode der Flaschengärung an sich auf die Champagne zurück (vgl. Méthode Champenoise bzw. Méthode Traditionelle). Es wird dort speziell dann auf die Liqueur d‘expédition verzichtet, wenn es sich um einen Champagner mit sehr langer Hefelagerung (fünf Jahre plus) oder gar um eine Millésime, also um einen edlen Jahrgangs-Champagner handelt. Inzwischen jedoch haben auch Winzer in Deutschland, Österreich, Italien und Spanien die Spielart Zero Dosage längst für ihren Sekt, Spumante oder Cava auf breiter Front entdeckt. Zumeist verfolgen sie damit den Anspruch, eine besonders natürliche Schaumwein-Stilistik zu etablieren, um die Charakteristiken von Rebsorten, Terroirs und Jahrgängen individueller und authentischer zum Ausdruck zu bringen.