Gigondas: Cru-Appellation an der südlichen Rhône
Am 3. Dezember 2025 · von Stefan BehrNicht zum ersten Mal wandert unser Blick auf bedeutende Weinbaugebiete in den Süden Frankreichs. Nicht weniger als 296 Weinorte zählt die AOP Côtes du Rhône über alle Klassifizierungsstufen hinweg. Unsere besondere Aufmerksamkeit soll hier einer Appellation gelten, die das Gütesiegel eines Cru trägt. Davon gibt es nur deren neun, also geht es rein rechnerisch um einen Vertreter der oberen drei Prozent. Die Rede ist von Gigondas.
Erstmalige schriftliche Erwähnung findet Gigondas im Jahr 951 unter der lateinischen Bezeichnung Jucundum, was sich mit „entzückend“, aber auch mit „Vergnügen“ übersetzen lässt. Wahrscheinlich bezog sich dieser Name auf die malerische Lage der Ortschaft und eher nicht auf die großartigen Weine, die Gigondas dereinst noch hervorbringen sollte. Dass diese in der Tat großes Vergnügen spenden, steht heute außer Frage – unter Kennern der Region wird Gigondas sogar als inzwischen größte Konkurrenz zu Châteauneuf-du-Pape gehandelt. Ob man in der erfolgsverwöhnten Nachbarschaft darüber auch entzückt ist, dürfte mindestens fraglich sein. Dazu später mehr.
Wo liegt die Appellation Gigondas?
Bevor wir mit der obligatorischen Erdkunde-Lektion beginnen, wollen wir zunächst die korrekte Aussprache klären, die sich im Französischen ja nicht immer von selbst erklärt, zumindest nicht im deutschen Sprachraum. Wer vermutet, dass unsere Nachbarn, das s am Wortendende von Gigondas – wie vielfach üblich – einfach wegschlucken, liegt falsch. Vielmehr wird Gigondas mit einem sogenannten stillen s ausgesprochen, auf dem zwar keine Betonung liegt, das aber dennoch deutlich vernehmbar ist bzw. sein sollte.
Nun der Blick auf die Landkarte: Die Ortschaft Gigondas liegt im Nordosten der Großregion Provence-Alpes-Côte d’Azur und dort im Département Vaucluse. Von der Dorfmitte sind es ungefähr 30 Kilometer Luftlinie bis zum sogenannten linken Ufer der Rhône. Gemeint ist damit die östliche Flussseite, denn die Rhône strömt – anders als etwa der Rhein – von Norden nach Süden. Die nächstgelegenen größeren Städte sind das römisch geprägte Orange im Westen und Carpentras im Süden, bekannt als größter Trüffel-Marktplatz in Frankreich. Die Gemeinde Gigondas schmiegt sich – wie zuvor erwähnt – malerisch an die Ausläufer der Dentelles de Montmirail. Dabei handelt es sich um eine optisch markante, weil von vielen kleinen Spitzen konturierte Felsenlandschaft, die bis auf 722 Meter über NN in den nordprovenzalischen Himmel ragt und einzig noch vom Mont Ventoux übertroffen wird.
Die sich über rund 1.200 Hektar erstreckenden Weinberge in Gigondas finden sich an den südwestlich, zur Rhône hin ausgerichteten Ausläufern des Gebirges und damit in relativer Nähe zu weiteren privilegierten Rhône-Appellationen, so etwa zu Vacqueyras oder Sablet. Auf das dortige Terroir sowie auf die Bedeutung der West-Exposition gehen wir noch gesondert ein, denn beide Faktoren spielen für die Charakteristik der Gigondas-Weine eine größere Rolle.
Was genau ist ein Gigondas-Wein?
Wer sich nach einem Wein aus der Appellation Gigondas umschaut, wird höchstwahrscheinlich auf einen Rotwein treffen. Nur zwei Prozent der örtlichen Produktion kommen schlussendlich als Rosé ins Glas. Weißweine wurden lange gar nicht (mehr) erzeugt, sind aber seit 2023 wieder zugelassen und bringen zwar wenige, aber dafür wunderbare Exemplare hervor. Ein Gigondas gilt gemeinhin als ein gleichermaßen kraftvoller wie eleganter Rotwein, mit präsenter Würze, ausgeprägter Struktur und gutem Lagerpotenzial. Mit einer Produktionsmenge von mehreren Millionen Flaschen zählt Gigondas zu den größeren Appellationen der südlichen Rhône-Region, an die Stückzahlen aus Châteauneuf-du-Pape reicht man jedoch noch lange nicht heran, zumindest nicht quantitativ.
Aus welcher Rebsorte wird ein Gigondas hergestellt?
Wie an der südlichen Rhône üblich, handelt es sich bei einem Gigondas immer um eine Cuvée, wobei die für ihn vinifizierten Rebsorten ebenso ganz und gar regionstypisch sind. Zuvorderst ist es die Grenache-Traube, die den Gigondas im Besonderen prägt. Ihr Anteil an der Assemblage darf bis zu 80 Prozent ausmachen. Syrah und/oder Mourvèdre müssen einzeln oder gemeinsam mit mindestens 15 Prozent enthalten sein und höchstens 10 Prozent anderer Rebsorten, die in der AOP Côtes du Rhône zugelassen sind, werden gestattet. Davon ausgenommen ist jedoch die Rebsorte Carignan.
Die Grenache-Traube darf bis zu 80% der Gigondas-Cuvée ausmachen.
Was macht die Gigondas Rotweine so besonders?
Die Stilistik der südlichen Côtes-du-Rhône ist maßgeblich über den regional sehr homogenen Rebsorten-Spiegel definiert, darum ist auch häufig vom „GSM-Land“ (Grenache, Syrah, Mourvèdre) die Rede. In der Konsequenz unterscheiden sich die Weine der zahlreichen Appellationen in Hinblick auf die verwendeten Rebsorten häufig nur um Nuancen. Das jeweilige Terroir, die spezifische Lage und Ausrichtung der Weinberge sind darum von größerer Bedeutung, wenn es darum geht, lokale Typizität zum Ausdruck zu bringen. Der Gigondas-Stil ist in dieser Hinsicht prägnant und auch leicht zu erklären.
Die Rebflächen liegen auf einer Höhe zwischen 300 bis 600 Metern an den Hängen der Dentelles de Montmirail und damit deutlich höher als die allermeisten in der Region. Bei durchschnittlich 2.800 Sonnenstunden pro Jahr kommt es hier zu einer stärkeren nächtlichen Abkühlung (Tag-Nacht-Amplitude) als in Tallagen, wodurch insbesondere die Grenache-Traube in Gigondas infolge eines langsameren Reifeprozesses weniger „fett“, mithin leichter und frischer ausfällt. Auch die Südwest-Ausrichtung wird als Erklärung für die vielfach beschriebene „kühle Eleganz“ von Gigondas angeführt, denn diese sorgt dafür, dass der Mistral hier nochmals mehr Wirkung entfaltet als andernorts in der Region. Es lässt sich somit festhalten, dass das Gigondas-Terroir für Rotweine steht, die um einiges schlanker und auch eleganter ausfallen, als es für die vielfach doch eher wuchtigen Gewächse von der südlichen Rhône typisch ist.
Ist ein Gigondas eine gute Alternative zu einem Châteauneuf-du-Pape?
An der Exzellenz der päpstlichen Appellation zu zweifeln, wäre fraglos ein Frevel. Doch ist es keinesfalls eine Sünde, den unfehlbaren „Markenmehrwert“ von Châteauneuf-du-Pape beim Weinkauf bisweilen jesuitisch zu hinterfragen und eine günstigere Option mindestens zu erwägen. Dafür kommen prinzipiell alle Cru-Gewächse der südlichen Rhône in Betracht, und auch die 21 Villages-Appellationen mit der „Berechtigung, den Ortsnamen zu führen“ bürgen für exzellente Qualitäten. Für den Gigondas spricht in dieser Hinsicht seine feine Nuancierung, insbesondere durch die „kühle“ Grenache-Stilistik, die ihn in puncto Eleganz sehr wohl in die Sphären eines Châteauneuf eindringen lässt. Über das kompetitive Verhältnis der beiden Appellationen wurde schon viel geschrieben und natürlich wurden dabei auch die hinlänglichen Etiketten bemüht. „Kleiner Bruder“, „Baby-Châteauneuf“, „Châteauneuf für Arme“ bilden nur eine kleine Auswahl, der wenig hilfreichen Versuche, die bilateralen Beziehungen verständlich zu machen. Bei diesen blumigen Erörterungen der vermeintlichen Nähe beider Weingebiete wird jedoch meist unterschlagen, dass ihre Charakteristik in Wahrheit doch sehr verschieden ist. Denn: Ein Châteauneuf-du-Pape ist ein Tal-Wein, während der Gigondas-Stil entscheidend durch das kühlere Berg-Terroir geprägt ist. Womöglich ist es für die Zukunft dem Klimawandel vorbehalten, darüber zu befinden, ob Gigondas tatsächlich das „Châteauneuf von morgen“ wird, denn der wirkt sich im Rhône-Tal schon um einiges deutlicher aus als in den Höhenlagen der Dentelles de Montmirail.
Welche Erzeuger prägen die Appellation Gigondas?
Auf die 500 Einwohner von Gigondas entfallen 90 Weingüter und drei Genossenschaften. Es dürfte somit vinophile Vollbeschäftigung herrschen, im Zweifel auch Fachkräftemangel. Beim Blick auf die lokalen Erzeuger führt an einem Namen kein Weg vorbei: Château de Saint-Cosme (mit stummem s). 1490 gegründet, liegt es nunmehr in 15. Generation (!) in den Händen der Familie Barruol, deren Wirken maßgeblich zur Entwicklung der Appellation beigetragen hat. Bereits ab 1972 betrieb Henri Barruol biologischen Weinbau in Gigondas, sein Sohn Louis übernahm in der Folge ein kerngesundes Ökosystem, durch das Saint-Cosme zu einem der renommiertesten Erzeuger an der südlichen Rhône avancieren konnte.
Gigondas-Wein online kaufen
Wären wir ein Touristikunternehmen, würden wir eine Reise ins Rhône-Tal so dringend empfehlen, wie in kaum eine andere Wein-Destination, und natürlich stünde ein Ausflug zu den Dentelles du Montmirail dabei fest im Programm. So bleibt uns nur der Rat, die großartigen Weine aus Gigondas online zu bestellen, das allerdings höchst komfortabel und denkbar einfach mit wenigen Klicks. Wahlweise kommen so Weine von Château Saint-Cosme binnen weniger Tage direkt vor die Haustür. Und auch Cellier de Princes bietet mit dem Gigondas La Chasse eine unbedingt lohnende Alternative zum päpstlichen Segen.
