Wie so viele Fachbegriffe der Weinsprache entstammt auch Sur Lie dem Französischen. Die Übersetzung ist wörtlich zu nehmen und meint schlicht „auf“ (sur) „der Hefe“ (lie). Natürlich haben wir Deutsche dafür einen passenden Terminus technicus parat, weshalb an Rhein, Mosel und Co. das Wort „Hefesatzlager“ etabliert ist. Damit ist eine Methode in der Vinifizierung von Weißweinen beschrieben, die diesen zu mehr Schmelz und Aromatik verhelfen soll.
Zur Vollständigkeit sei zunächst erwähnt, dass der Begriff im Französischen streng genommen auf „Élevage sur lie“ lautet. Es geht demzufolge um den Reifeprozess (des Weins) auf der Hefe. Um nun genauer zu verstehen, was es damit auf sich hat, lohnt zunächst ein gedanklicher Schritt zurück auf den Buchstaben A im Weinalphabet – gemeint ist A wie Alkohol. Derselbe entsteht beim Wein im Wege der Gärung, auch als Fermentation bekannt. Diese wiederum erfolgt, wenn im Grundwein mithilfe von Hefen der natürliche Zucker in Alkohol (sowie Kohlendioxid) umgewandelt wird. Nach diesem Vorgang bleiben die toten Hefezellen als Bodensatz (wahlweise auch „Hefesatz“) im Wein zurück.
Üblicherweise wird der Bodensatz nach Abschluss der Gärung vom Wein getrennt bzw. „abgezogen“. Bei der Sur-Lie-Methode hingegen wird darauf verzichtet; der Wein bleibt demzufolge und wortwörtlich auf der Hefe liegen. Dabei kann es sich der Wein entweder gleich auf der Vollhefe bequem machen oder sich nach einem ersten Abziehen (Trennen) auf der Feinhefe niederlassen. Die Dauer dieser Lagerung hängt ganz vom Ermessen der Winzerinnen und Winzer und ihren spezifischen Zielen in der Vinifizierung des betreffenden Weins ab; sie kann demzufolge Wochen, Monate, im äußersten aber auch Jahre in Anspruch nehmen. Der Effekt des Hefesatzlagers kann überdies verstärkt werden, indem die Hefe regelmäßig aufgerührt wird, sodass sie sich nicht im Fass oder Tank absetzen kann. Auch für diesen Vorgang haben unsere französischen Nachbarn einen ungleich eleganteren Begriff: die Bâtonnage.
Was genau bewirkt die Sur Lie-Methode?
Wie eingangs schon festgehalten, sorgt die Élevage sur lie geschmacklich für einen komplexeren Charakter des Weins, wobei Noten der Hefe durchaus gewollt zur Entfaltung kommen können. Handelt es sich um einen vergleichsweise jungen Wein, sorgt sie bisweilen auch für einen leichten Kohlensäureeindruck, für ein zartes „Mousseux“, wie es andernorts so charmant heißt – was man bei Stillweinen jedoch mögen muss. Gleichzeitig wirken auf der Hefe gelagerte Weine am Gaumen vollmundiger, gewinnen an Substanz und Kraft, wodurch der Alkohol harmonischer eingebunden werden kann.
Bei welchen Weinen kommt die Sur Lie-Methode zum Einsatz?
Vorweg: fast nur bei Weißweinen, beim Roten gilt sie mindestens als unüblich. Vor einigen Jahrzehnten wurde die Reife auf der Hefe vorwiegend bei trockenen Weißweinen mit tendenziell hohem Alkoholanteil praktiziert, so etwa bei Burgundern, Chardonnay und Muscadet sowie generell bei weißen Gewächsen, die im Holz ausgebaut werden. Heute ist die Reife auf der Hefe deutlich verbreiteter, ja, sie liegt geradezu im Trend, auch bei leichten Weinen wie etwa Riesling.
Eine besondere Rolle spielt die Élevage sur lie, präziser gesagt, die Reifung auf der Feinhefe, bei flaschenvergorenen Schaumweinen, allen voran beim Champagner. Hier leisten die abgestorbenen Hefepartikel einen besonders wirkungsvollen Dienst bei der Ausprägung von Aromen, die einem Champagner oder auch einem Crémant seinen besonderen Charakter verleihen – Fachleute sprechen in diesem Fall auch von Autolyse respektive von Autolyse-Noten, wenn es um die sensorische Einordnung geht. Dieser Prozess wird im Weinkeller durch die sogenannte Remuage begleitet, bei der die lagernden Flachen regelmäßig gerüttelt werden, was dem Zweck dient, den Hefesatz nach und nach in Richtung Flaschenhals zu befördern. Ebendort wird er schlussendlich aus der Flasche entfernt, wofür mit dem Dégorgement ein weiterer Fachbegriff bereitsteht, der sich im Deutschen mit Enthefung beschreiben lässt. Auf den letztgenannten Arbeitsschritt bei der Vinifizierung eines flaschenvergorenen Schaumweins folgt sodann und schlussendlich die Versanddosage, mit der wir uns an anderer Stelle in diesem Magazin erst jüngst ebenso intensiv befasst haben.