Tierische Helfer im Weinberg

Am 11. März 2024 · von Sven Reinbold

Wir kennen alle die Weinetiketten, bei denen uns ein Schaf oder ein Rind, ein Vogel, ein Huhn oder Schwein entgegenblickt. Ist das nur „Cat Content“ für Wein-Marketing, oder haben diese Tiere tatsächlich eine Bedeutung für den Weinberg und die Reben? Ein tierisch kritischer Blick auf die animalischen Helfer der Winzerinnen und Winzern.

Tierische Helfer im Weinberg sind historisch betrachtet der Normalfall. Bis vor 50, 70 Jahren findet man sie ganz selbstverständlich zwischen den Rebzeilen, vor allem die Hühner und Gänse, die Schafe und Rinder. Das reinrassige Weingut ist nämlich eine moderne Erfindung. Ursprünglich ist die Erzeugung von Wein immer nur ein Zweig eines traditionellen Mischbetriebs, der ebenso von Getreide und Feldfrüchten, von Obst und Tierhaltung lebt. Um im Bild zu bleiben, nur auf ein Pferd zu setzen, ist zu riskant, verschiedene Einnahmequellen versprechen schlichtweg mehr Stabilität.

Tiere im Weinberg: old school

Während heutzutage die Tiere im Weinberg als Aspekte von Artenvielfalt und biologischem Weinbau gelten, steht in früheren Zeiten die Ausnutzung aller Ressourcen im Blick. Die Gräser und Kräuter zwischen den Rebzeilen sind eben auch Grünfutter für Tiere und deren Hinterlassenschaften im Weinberg sind guter Dünger für den Boden. Zudem wussten die Weinbauern alter Schule bereits, dass bestimmte Tiere gut darin sind, Schädlinge im Griff zu halten. Bei Greifvögeln, die Nagetiere und kleinere Vögel dezimieren, liegt der Vorteil auf der Hand. Doch später und mit mehr Aufmerksamkeit für die Details und ihre Wechselwirkungen, zeigt sich, wie kleinteilig und nachhaltig Tiere die Reben beschützen und unterstützen.

Bei all dem dürfen wir nicht übersehen, warum der Einsatz von tierischen Helfern heute die klare Ausnahme bildet. Traktor und Pflanzenschutzmittel schneiden bei der Kosten-Nutzen-Betrachtung schlichtweg besser ab – zumindest bei der kurzfristigen. Dieser Vorteil gilt umso mehr, je schwieriger das Gelände ist. Eine Steillage, ein besonders steiniger Boden lassen sich mit maschineller Unterstützung deutlich einfacher und verlässlicher bewirtschaften. Die tierischen Helfer stehen daher weniger für Quantität als für Qualität.

Naturnah und nachhaltiger: neuer Blick auf Tiere

Kommen Weidetiere in den Weinberg fressen sie das Grün zwischen den Rebzeilen. So halten sie diese Pflanzen klein und entschärfen die Konkurrenzsituation für die Reben. Gleichzeitig bearbeiten sie mit ihren Füßen den Boden, arbeiten sogar die eigene Ladung Naturdünger in den Boden mit ein. Einige der angefressenen Kräuter und Gräser gehen ein und unterstützen so die Humusbildung und Aufwertung des Bodens. Andere Pflanzen lassen nach dem Fressen Teile des Wurzelwerks absterben, der Effekt ist der gleiche. Zudem tragen die Tiere mit Wolle, Fell oder Kot neue Pflanzen in den Weinberg ein, die Biodiversität steigt in der Folge deutlich. Insekten ziehen daraus ihren Vorteil, aber auch Vogelarten, die sich wiederum um Schädlinge kümmern.

Diversität per se ist schon ein gutes Argument, entscheidend ist aber, dass Biodiversität für ein stabileres Gleichgewicht im Weinberg sorgt. Weinbau ist letztlich eine Monokultur und damit anfällig für große Schäden durch eine Krankheit oder einen Schädling. Doch schafft größere Vielfalt einen Vorteil, indem sie ermöglicht, dass auch die natürlichen Feinde der Schädlinge zugegen sind und so pandemische Ausmaße verhindern.

Weinlandschaft Deutschland

Weidetiere im Weinberg fördern Vielfalt und Bodenqualität, reduzieren Schädlingsrisiken.

Reben helfen und schützen: Nutz- und Wildtiere

Rinder und Schafe kümmern sich um die Begrünung im Weinberg, auch Hühner und Gänse kommen hierfür zum Einsatz. Pferde als Arbeitskraft, die sogar mit schwerem Gerät den Boden bearbeiten, nicht zu vergessen. Daneben gibt es viele Wildtiere, die sich gut bei der Rebpflege machen. Angefangen von Insekten wie Marienkäfer und Schlupfwespe, die Schädlinge klein halten, über Feldlerche und Nachtigall, die sich wiederum um Insekten kümmern, bis zu Greifvögeln wie Bussard, Turmfalke oder Eule, die auf Kleinnager und Trauben fressende Vögel aus sind.

Während Nutztiere neben den Helferdiensten noch weitere Erzeugnisse wie Wolle, Eier, Milch und Fleisch liefern, sind die Wildtiere gewissermaßen die Freiberufler im Weinberg. Ihnen muss man das Angebot eines guten Lebensraums machen, damit sie überhaupt zur Arbeit erscheinen. Doch das funktioniert ohne Weiteres. In Kalifornien finden sich beispielsweise verschiedene Weingüter, die mit der Ansiedlung von Greifvögeln beste Erfahrung gemacht haben. Weiter unten in der Nahrungskette, bei den Insekten, helfen neben schonender Bodenbearbeitung und der Vielfalt an Pflanzen einfache Totholz-Ecken oder Hecken dabei, die richtigen Helfer heimisch zu machen.

Tierische Jahreszeiten im Weinberg: Timing ist alles

Selbstverständlich sollen die Tiere im Weinberg nicht die Reben selbst anknabbern und erst recht nicht die Trauben. Daher ist es wichtig, wann die Tiere in den Weinberg gelassen werden, damit sie auch das Richtige fressen. Denn vor süßen Trauben machen auch Schafe, Rinder oder Gänse und Hühner keinen Halt. Sobald die Trauben sich entwickeln und spätestens ab dem Punkt, an dem sie Farbe zeigen und Zucker ausbilden, haben Tiere nichts mehr im Weinberg zu suchen. Also reden wir zumindest beim Nutzvieh eigentlich nur über Winter und Frühling sowie den Herbst nach der Lese. So erklären sich die „Vache d’Automne“, die Herbstkühe, nach denen ein Wein aus dem Roussillon benannt ist. Das Highland-Rind, welches das Etikett ziert, ist folglich kein „Cat-Content“.

Am meisten kommen jedoch Schafe im Weinberg zum Einsatz. Besonders beliebt ist die Rasse der Ouessantschafe, die als robust und aufgrund ihrer Größe von nur 45 Zentimetern Schultermaß als ideal für die Bodenpflege gilt. Auch beim „Natura Nostra“-Projekt von Moët & Chandon in der Champagne sind Schafe die Tiere der Wahl.  Beim VDP-Weingut Kruger-Rumpf helfen die Schafe sogar beim Rekultivieren brach liegender Lagen, wie Georg Rumpf in einer Folge von „Bei Anruf Wein“ erklärt. Auch Kultwinzer Markus Schneider berichtet in dem Weinpodcast von Weinfreunde.de über seinen Bock namens Daniel, ebenfalls ein Ouessantschaf.

 

Weinkeller: Hund, Katze, Maus

Weniger im Weinberg mehr im Keller und im Hof bieten andere Tiere ihre Hilfe an. Vom großen Wachhund bis zum kleinen Terrier, der Ratten und Mäuse fängt – nicht zu vergessen die Katzen. Sie alle leisten zudem noch psychologischen Beistand. Es fällt geradezu schwer ein Weingut zu finden, in dem nicht ein Hund und/oder eine Katze zum Team zählen – und das im internationalen Maßstab.

Kurios erscheint es dagegen, wenn Technik versucht, tierische Helfer zu imitieren. Im Nordwesten Spaniens setzt Winzer Rafael Palacios auf Lautsprecher, die Rufe von Greifvögeln und das Panikgezwitscher sterbender Kleinvögel abspielen, um gefiederte Traubendiebe abzuschrecken. Dann vielleicht doch lieber die Originale?

Mehr Tier, weniger Chemie im Wein: aufgepasst

Pestizide und Herbizide sind mit Tieren im Weinberg nicht vereinbar. Auch mit Schwefel und Kupfer ist ausgesprochen sorgsam umzugehen, sobald Schaf, Rind und Co im Weinberg fressen. Paradoxerweise ein Grund, warum Weingüter, die gänzlich auf chemische Helfer verzichten, mit dem Tiereinsatz Probleme haben. Ihnen bleiben quasi nur Schwefel und Kupfer, um auf Probleme an den Reben zu reagieren. Trotzdem dürfen wir Lagen, in denen tierische Helfer ihre Arbeit tun, durchaus als gesündere Lagen begreifen.

Bioweine bei Weinfreunde.de entdecken

Wie hat dir der Artikel gefallen?
4,75 Sterne | 4 Bewertungen