Die Vorzüge des Alters: Wenn alte Reben das Beste geben

Am 25. November 2025 · von Stefan Behr

Mit dem Alter ist das so eine Sache. Man kann auch jenseits der Fünfzig, locker wie Vierzig daherkommen und sich dabei wie Dreißig fühlen. Es kann im schlechtesten Fall aber auch genau umgekehrt sein. „Alt“ ist nicht zuletzt eine Frage der Perspektive, mithin ein dehnbarer Begriff. Auch in puncto „Alte Reben“ oder auch „Vigne Vecchie“ herrscht bislang ein gewisser Interpretationsspielraum – man könnte auch sagen, bedenkliche Intransparenz. Die Internationale Organisation für Rebe und Wein, kurz OIV, hat nunmehr eine Klarstellung herbeigeführt, unter welchen Voraussetzungen, Weine auf diese Weise gekennzeichnet werden sollten.

Uns erscheint die aktuelle Debatte um die „Alte Rebe“ wichtig genug, um diese hier aufzugreifen. Die OIV hat mit ihrer Klarstellung einen nützlichen Dienst am Verbraucher geleistet, meinen wir, ist dessen Anspruch auf Transparenz und Verlässlichkeit von anbieterseitigen Produktinformationen doch unbedingt gerechtfertigt. Beginnen wollen wir darum auch mit der neuen Definition, was gemäß OIV unter „besonders alten“ Reben bzw. Weinbergen genau zu verstehen ist oder besser gesagt, künftig verstanden werden soll. Der zufolge muss bzw. sollte eine alte Rebe „eine einzelne Pflanze sein, die offiziell dokumentiert, 35 Jahre und älter ist“. Ein alter Weinberg wiederum muss oder sollte „eine zusammenhängende, rechtlich abgegrenzte Weinbergsparzelle sein, in der mindestens 85 Prozent der Reben der vorherigen Definition entsprechen“.

Alte Reben: Eine Qualitätsbotschaft

Zum jetzigen Zeitpunkt handelt es sich nur um eine Empfehlung der OIV an die EU-Kommission. Die Damen und Herren in Brüssel sind jedoch dazu verpflichtet, diese bei der Entwicklung neuer Vorschriften zu berücksichtigen. Erfahrungsgemäß dauern derartige Entscheidungsprozesse in den langen Fluren der Kommission auch länger, als man es sich wünscht. Umso wichtiger erscheint es, Weine aus alten Reben künftig mit Produktinformationen zu versehen, die das Alter der Rebstöcke benennen. Ein Abgleich dieser Angaben mit der vorläufigen Leitlinie der OIV ist dabei natürlich angeraten. Denn schließlich geht von einer Kennzeichnung „Alte Reben“ eine Qualitätsbotschaft aus, die eingelöst werden will und darum auch überprüfbar sein sollte.

Weinstock mit alten Reben

Alte Reben winden sich im Sonnenlicht.

Was bewirken alte Reben im Wein?

Winzer, die ihre Weine mit dem Prädikat „Alte Reben“ versehen, betonen die besondere Tradition und das Erbe, das die betreffenden Rebstöcke repräsentieren. Gegenüber dem Konsumenten bringen sie damit hauptsächlich zwei Eigenschaften des betreffenden Weins zum Ausdruck, die man getrost als ein besonderes Genussversprechen verstehen kann. Erstens: Weine aus alten Reben können die Charakteristik des Terroirs deutlicher zum Ausdruck bringen als jüngere Gewächse. Und zweitens: Sie bringen besonders konzentrierte Trauben hervor, die den Wein aromatisch intensiver und komplexer werden lassen.

Alte Reben: wenige Trauben, bestens versorgt

Wie bei allen Pflanzen nimmt auch beim Wein die Vitalität im Allgemeinen und die Wurzelaktivität im Speziellen im Zeitverlauf ab. Das heißt: Der Rebstock wächst nur noch minimal, produziert weniger Blätter und vor allem weniger Früchte. Genau aufgrund dieses geringen Ertrags und der daraus resultierenden, kleinen Produktionsmenge wären solche Rebstöcke vor Jahrzehnten noch durch jüngere ersetzt worden – in der Regel war nach 25 bis 30 Jahren Schluss. Aber das Blatt hat sich glücklicherweise auf vielen Weinbergen gewendet – weg von der Quantität, hin zur Qualität. Typischerweise wurzeln alte Reben extrem tief und verästelt. So gelangen sie besser an Wasser und Nährstoffe und können die Pflanze selbst bei wenig Niederschlag ideal versorgen. Zudem müssen ebendiese zutage geförderten „Bodenschätze“ nur noch unter sehr wenigen Trauben aufgeteilt werden. Die optimale Nährstoffversorgung und das langsame Wachstum alter Reben sorgen im besten Fall nicht nur für besonders gesunde Trauben, sondern auch für ein höheres Maß an Konzentration und Aromakomplexität im fertigen Wein.

Alte Reben Weinlager

Die Trauben von Alten Reben reifen in den richtigen Händen zu fantastischen Tropfen

Sind Weine aus alten Reben immer die besseren Weine?

Die Antwort lautet: Nein. Ein hohes Alter von Reben ist nicht per se ein Qualitätsgarant. Nicht alle Rebstöcke und auch nicht alle Rebsorten sind für ein hohes Alter gleichermaßen geeignet. Auch die Bodenbeschaffenheit oder klimatische Einflüsse können das Alterungspotenzial von Reben beeinflussen, positiv, aber eben auch negativ. Grundsätzlich lässt sich aber schon festhalten, dass die Voraussetzungen für einen hervorragenden Wein bei Trauben von alten Reben eher gegeben sind, als bei einem jüngeren Gewächs. Selbstredend bedarf es aber auch eines Winzers, der mit den Trauben umzugehen weiß. Mit anderen Worten: Auch aus alten Reben lassen sich schlechte Weine produzieren, wenn der Weinbauer sein Handwerk nicht zu 100 Prozent beherrscht. Ganz und gar nicht trifft dies auf den hochversierten Winemaker Davide Ragusa zu. Die unter seiner Regie entstehenden Weine der preisgekrönten Cantine San Marzano sind längst zu einem Aushängeschild der Weinregion Apulien avanciert. Dazu zählt nicht zuletzt auch sein wuchtig-intensiver Miluna Primitivo Salento, der von alten Reben, Vigne Vecchie, stammt.

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