Grappa: Edeltrester aus Italien

Am 20. Dezember 2022 · von Weinfreunde

Ohne Trauben kein Wein, ohne Wein kein Grappa. Sven vom Weinfreunde-Team erklärt, wie aus Traubenrückständen Spirituosen-Gold gemacht wird, und welche Begriffe man beim Grappa kennen sollte.

Wer Wein sagt, muss auch Grappa sagen. Zumindest in Italien, wo sich der einstige Bauernschnaps längst zur Edelspirituose gemausert hat. Denn Wein und Grappa gehören unbedingt zusammen. Schließlich sind es, genau genommen, Rückstände aus der Weinerzeugung, die den Rohstoff für den Brand abgeben. Destillate aus den gepressten und vergärten Traubenresten gibt es selbstverständlich auch in anderen Weinländern: vom deutschen Trester über den französischen Marc bis zum spanischen Orujo. Einen originalen Grappa findet man aber nur in Italien und im Tessin. Basta!

Venetien Landschaft

Italien ist das Heimatland des Grappas. Der Name kommt übrigens aus Venetien.

Wie wird der Brand gemacht?

Am Anfang stehen die Pressrückstände aus der Weinherstellung. Dabei spielt es eine Rolle, ob es sich um Trester von weißen oder dunklen Trauben handelt. Dass Rotweine bei der Mazeration länger mit Schalen und Kernen in Kontakt sind, Weißweine hingegen keinen oder nur kurzen Schalenkontakt haben, spielt auch bei der Herstellung von Grappa eine Rolle. Durch die längere Standzeit ist der Rotwein-Trester nämlich schon vergoren und kann direkt gebrannt werden. Die Pressrückstände von Weißweinen müssen hingegen noch gesondert vergärt werden, bevor sie in die Destillation kommen, da sie sonst zu viel Zucker und zu wenig Alkohol liefern. Dem Brand sieht man es letztlich nicht an, weil beide Destillate zunächst klar und farblos sind. Die Farbe eines Grappas trägt erst die spätere Lagerung im Fass bei.

Es bedarf viel Erfahrung und ausgefeilter Handwerkskunst, um einen guten Grappa zu brennen. Erfolgt das Destillieren nämlich in aufeinanderfolgenden Chargen, muss der Brennmeister im laufenden Prozess entscheiden, welchen Teil des Brandes er für den Grappa verwendet. Da zu Beginn und am Ende des Brennens die minderwertigen Destillate entstehen, müssen der sogenannte „Kopf“ oder Vorlauf sowie der „Schwanz“ oder Nachlauf abgetrennt werden. Allein das Herz – auch Mittellauf genannt – kommt letztlich in das Fass zur Reife und später in die Flasche.

Am Ende der Destillation steht der Brand mit rund 60 Prozent Alkoholvolumen, der erst über die Zugabe von Wasser auf Trinkstärke – mindestens aber 37,5 Prozent – gebracht wird. Die anschließende Lagerung des Grappas wird einerseits vom verwendeten Holz und andererseits von der Dauer der Reife geprägt. So geben Fässer aus Kastanie dem Grappa einen hellbraunen Ton, das Holz der Kirsche verleiht dem Destillat etwas Süße, und Eichenholz gibt den Bränden herbe Aromen mit auf den Weg.

Grappa weiß

Die Farbe des Grappas ist abhängig von der Lagerung im Fass – das Destillat ist vorher klar.

Was macht einen guten Grappa aus?

Resteverwertung hieß früher die Maxime, weshalb die Brenner alle Pressrückstände vor der Destillation einfach zusammenschütteten. Erst in den 1970er-Jahren kommt einer der Erzeuger auf die Idee, den Trester nach Rebsorten zu trennen – wie man es von der Weinherstellung eigentlich kennt – und durch weitere Maßnahmen sicherzustellen, dass der Trester möglichst frisch verarbeitet wird. Mit der Frische kommen nämlich mehr Fruchtaromen in den Brand und um die geht es rein sensorisch betrachtet bei gutem Grappa.

Es ist die Grappa-Dynastie Nonino, die mit dieser Qualitätsoffensive letztlich den Siegeszug des Brands einleitet und das Unternehmen zum Pionier der sich schnell entwickelnden Szene avancieren lässt. Das Familienunternehmen aus der Nähe von Padua gilt als Qualitäts- und Innovationstreiber der Grappa-Branche. Von der Flaschenausstattung bis zum Einkaufsmanagement für den Trester und moderner Brenntechnik: Ohne Nonino wäre der Grappa heute nicht das, was er ist. Die Selektion nach Rebsorten macht das recht deutlich, denn mittlerweile heißt der Brand nicht einfach nur „Grappa“. Handelt es sich um einen rebsortenreinen Grappa (Grappa di monovitigno), ist dies auch dem Etikett zu entnehmen. Beispiele sind „Grappa di Nebbiolo“ oder „Grappa di Moscato“. Selbst besondere Weinstile wie „Grappa di Amarone“ finden sich wie auch regionale Kennzeichnungen beim „Grappa di Morellino di Scansano“.

Wie lange reift die Spirituose?

Der junge Grappa reift meist sechs Monate – allerdings nicht unbedingt im Holzfass. Manche Destillate reifen in Behältnissen aus Edelstahl, Glas oder Stein, die keine zusätzliche Aromatik eintragen, wie es beim Fass aus Holz der Fall ist. Für einen Grappa, der längere Zeit im Fass verbringt, gibt es zusätzliche Begrifflichkeiten. Findet sich auf dem Etikett die Bezeichnung „invecchiata“ oder „Vecchia“, ist er mindestens zwölf Monate im Holzfass gereift. Eine Reife von mindestens 18 Monaten im Fass wird als „stravecchia“ oder auch „Riserva“ bezeichnet. Die Reifezeit ist also ein zusätzliches Qualitätskriterium, wenn es um Grappa geht, was aber weder Whisky– noch Cognac– und Rum-Liebhaber verwundern wird.

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Die Reifezeit ist ein wichtiges Qualitätskriterium. Nach 18 Monate im Holzfass darf sich ein Grappa „stravecchia“ oder auch „Riserva“ nennen.

Wie trinkt man Grappa?

Grappa ist stets kühl, aber nicht zu kalt zu servieren, da ansonsten die Aromen nicht mehr zu schmecken sind. Zwischen acht und zehn Grad Celsius geben die Experten als ideale Trinktemperatur an. Grappa eignet sich als Aperitif wie als Digestif und auch in der einen oder anderen Nachspeise macht sich der Brand nicht schlecht. Kleine Gläser sind aufgrund des Alkoholgehalts angeraten, idealerweise öffnen sich die tulpenförmigen Gläser leicht nach oben hin. So zeigt sich der Duft des Brands besser, der mit seiner feinen Fruchtigkeit zum großen Genuss eines Grappas zählt.

Ist die Flasche einmal geöffnet, überdauert sie einige Zeit, sollte aber nicht zum Souvenir im Barschrank verkommen. Ungeöffnete Flaschen am besten kühl und dunkel lagern. Auch für das Lagern gilt also das Verwandtschaftsverhältnis zum Wein. Am besten direkt daneben legen.

Angeberwissen: der oder die Grappa?

Wenn der italienische Kellner nach dem Essen fragt, ob er noch „eine Grappa“ anbieten dürfe, klingt das für deutsche Ohren verkehrt. Dabei ist es genau richtig, wenn man den italienischen Ursprung zurate zieht, wo die Grappa, weiblichen Geschlechts ist. Allerdings hat sich die männliche Verwendung im Deutschen so durchgesetzt, dass es sich eher falsch anhört, wenn man es richtig macht. Wer es also mit dem Italienischen hält, weiß jetzt, was er „falsch“ machen muss. Das Wort Grappa selbst leitet sich von einer dialektalen Bezeichnung für die Traube aus Venetien ab: Graspa. Bis heute zählt Venetien neben der Lombardei, dem Piemont, Friaul und Südtirol zu den Grappa-Regionen Italiens.

Noch eine Zahl zum Schluss: Aus 100 Kilogramm frischen Trester werden etwa neun bis zehn Liter Grappa.

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