Angelo Gaja: der König des Barbaresco

Am 12. Juni 2018 · von Sven Reinbold

Wenn es um die großen Weingüter Italiens geht, ist unser Weinfreund Sven gefragt. Dieses Mal berichtet er vom sagenhaften Aufstieg Angelo Gajas und seiner Familie, der die Weinregion Piemont in aller Welt bekannt gemacht hat.

Im Weinfreunde Magazin finden sich bereits Porträts der großen italienischen Weindynastien der Antinori und der Frescobaldi. Familien, die seit mehreren Jahrhunderten die italienische Weinkultur mitprägen, die aber auch Taktgeber und Erneuerer der internationalen Weinwelt sind. Blickt man auf die Geschichte des Weingutes der Familie Gaja, erkennt man, dass der Weg aus dem Nichts an die Spitze der internationalen Weinbranche auch in vier Generationen zu schaffen ist. Es ist die Geschichte einer Familie, die aus Spanien nach Italien übersiedelt und dort letztlich mit einer französischen Weinphilosophie Furore macht.

Im Jahr 1859 ersteht der Tavernenbesitzer Giovanni Gaja rund um sein piemontesisches Heimatdorf beschauliche zwei Hektar Rebfläche. Der simple Plan: In der eigenen Schankwirtschaft den eigenen Wein verkaufen. Ein erstes Aufblitzen jener Geschäftstüchtigkeit, die die Familie Gaja wohl ebenso auszeichnet, wie ihre Passion für den Wein. Gerade dieses Zusammenspiel macht ihren Aufstieg so legendär. Zudem zählt Giovanni Gaja zu den ersten in der Region, der seinen Wein auf Flaschen füllt, um ihn auch über den „Eigenbedarf“ hinaus zu verkaufen. Lange skeptisch beäugt, erhält er schließlich für seinen Flaschenwein einen Großauftrag der italienischen Armee und verdient nicht schlecht daran.

Barbaresco Angelo Gaja

Der Aufstieg von Angelo Gaja und seiner Familie zu einer der weltweit geschätzten Weinproduzenten aus Italien hatte seinen Urspung in der kleinen Gemeinde Barbaresco im Piemont.

Mit den Gajas zu Weltruhm: das Piemont

Knapp 100 Jahre später zählt die Region, in der die Gajas so erfolgreich wirken, zu den besten, die das Weinland Italien zu bieten hat. Denn das Dorf, aus dem die Gajas stammen, ist eben jenes sagenumwobene Barbaresco im Piemont, das auch die Heimat der Rebsorte Nebbiolo ist, die hier besser gedeiht als irgendwo sonst. Dass aber auch ganz andere Rebsorten als die heimischen dem Piemont zu Weltruhm verhelfen, lässt sich wiederum nicht ohne die Familie Gaja verstehen.

Doch alles der Reihe nach. Angelo Gaja, der Großvater des gleichnamigen, noch berühmteren Enkels, und seiner Frau Clotilda Rey gelingt ein weiterer Marketing-Coup: Bereits 1937 bringen sie die den Familiennamen auf das Flaschenetikett und heben sich somit deutlich von den damals üblichen Etiketten ab. Der rote Gaja-Schriftzug ist geboren, der in modernisierter Form bis heute die großen Weine des Hauses ziert. Er ist sozusagen das ikonographische Erbe der zweiten Generation.

Mit der folgenden Generation wird gleich alles eine Nummer größer. Der 1908 geboren Giovanni Gaja macht nämlich zunächst in der Immobilien- und Baubranche Karriere. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es viel zu tun und der gewiefte Giovanni investiert in Weinberge, und zwar möglichst in die besten. Dabei kommt ihm sein Wissen als „Geometra“ – das ist der Vermessungstechniker der Gemeinde – und sein späterer Einfluss als Bürgermeister von Barbaresco sicherlich zu gute. Am Ende seines Lebens umfassen die Weingüter der Gajas immerhin schon über 80 Hektar.

Barbaresco Angelo Gaja Family

Mit 21 Jahren übernahm Angelo Gaja den Familienbetrieb und baute ihn konsequent nach französischem Vorbild um. Neuer Rebschnitt, geringere Stockdichte, grüne Lese, malolaktische Gärung und französische Barriques sorgten für den Erfolg.

Konsequent bis in die Weltspitze: Angelo Gaja

Sein Vater ist noch Bürgermeister der Gemeinde als Angelo Gaja 1961 die Leitung des Weinguts übernimmt. Da zählt er gerade mal 21 Jahre, hat aber bereits Önologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. In ihm finden die beiden Talente der Familie, der Wein und das Geschäft, quasi in akademischer Veredelung zusammen.

Weinbau hat Angelo Gaja unter anderem im französischen Montpellier studiert, und es sind die Spitzenregionen Bordeaux und Burgund, die sich der junge Önologe genauer anschaut. Sobald er später die Möglichkeit dazu bekommt, setzt er in den heimischen Weingütern seine dort erlernten Neuerungen konsequent um.

Im Weinberg ändert er die Art des Rebschnitts und verringert die Stockdichte. Gaja führt zudem die sogenannte grüne Lese ein. Das ist das Wegschneiden junger Trauben, damit sich die Rebe aromatisch auf weniger Früchte konzentriert. Und auch bei der Vinifizierung im Keller schlägt er neue Wege ein. Er perfektioniert die Temperaturregelung der Gärtanks und setzt auf die malolaktische Gärung, um seinen Weinen mehr Schmelz und Charme zu geben. Vor allem aber führt Gaja für den Ausbau und die Reife der Weine, die Barriques, die bekannten französischen Eichenfässer ein.

Barbaresco Angelo Gaja

Neue Wege beschritt Angelo Gaja auch in Sachen Rebsorten.  So baute er Cabernet Sauvignon, Chardonnay und Sauvignon Blanc neu an und vinifizierte aus dem Cabernet seinen mittlerweile weltberühmten Darmagi.

Tabubruch: französische Rebsorten im Piemont

Doch damit nicht genug. Angelo Gaja bricht mit einem regelrechten Tabu und pflanzt französische Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Chardonnay und Sauvignon Blanc neu an. Dafür lässt er sogar erstklassige Nebbiolo-Lagen in Barbaresco roden, eine „Schande“, wie sein Vater verächtlich meint. Und so heißt denn auch der Cabernet Sauvignon aus diesem Weinberg „Darmagi“, das italienische Wort für Schande. Darmagi kommt erstmals 1978 auf den Markt und ist quasi als Super-Piemonteser das Gegenstück zu den berühmten Super-Toskanern.

Ende der 1980er Jahre erwirbt Gaja Weingüter in Barolo, in der Toskana und in Montalcino. Insbesondere für seinen DOC Barolo „Sperss“ – dem piemontesischen Wort für Sehnsucht – erntet Gaja beste Bewertungen der internationalen Weinkritik. Neben dem „Darmagi“ Cabernet Sauvignon, einem weiteren Barolo (Conteisa) sind es die drei Lagen-Barbaresci Sori San Lorenzo, Sori Tildin, Costa Russi und vor allem der DOCG Barbaresco die Gajas exzellenten Ruf mehren und mehren.

Dabei bleibt er stets und konsequent bei seiner Vorstellung von Wein und Qualität. So stuft er beispielsweise einige Weine freiwillig von der Klassifizierung DOCG Barbaresco und DOCG Barolo auf DOC zurück, da er sich die Zugabe geringer Anteile fremder Rebsorten nicht nehmen lassen will. Als er 2010 die Leitung der Weingüter an seine Töchter Gaia (!) und Rossana übergibt, hat er nahezu alle Ehrungen der Weinwelt erhalten, die es so gibt.

Für den als „König des Barbaresco“ oder gar „Angelo Nazionale“ apostrophierten bedeuten diese Ehrungen wenig. Wichtiger ist ihm, dass mit seinen beiden Töchtern, die Familientradition fortbesteht, mit guten Weinen gutes Geld zu verdienen.

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