Winzerinnen: gleichberechtigt stark.
Am 20. April 2021 · von Theresa WeberEigentlich sollte es keine Rolle spielen, ob eine Frau oder ein Mann einen Wein herstellt. Interessant ist es aber schon, denn von Frauen produzierte Weine weisen nicht selten stilistische Unterschiede zu „Männerweinen“ auf. Nur positive versteht sich.
Meistens ist es den Winzerinnen gar nicht recht, dass man soviel Aufhebens um ihr Geschlecht macht. Sie wollen genannt werden, wenn es um ihre Weine geht, um ihre Arbeit in Weinberg und Keller, wenn es um das Managen des Weinguts geht und ihre Philosophie des Weinmachens. Aber die Erwähnung, dass sie dies als Frau machen, ist überflüssig. Zudem erweist sich die oft herbeizitierte Frauenpower im Weinberg als gar nicht so außergewöhnlich. Die Selbstverständlichkeit, mit der Frauen in allen Bereichen der Weinwelt ihren Weg gehen, spricht einfach für sich.
Kurioserweise gehen dabei die Etiketten der Weine quasi als politisch korrekt durch. Der Name des Weins oder des Weinguts verrät eben nur in seltenen Fällen, ob eine Frau oder ein Mann beim Weinmachen den Ton angegeben hat. Anders ausgedrückt: Es ist eben ganz oft Frau drin, wo Frau gar nicht drauf steht. Ein unfreiwilliger Etikettenschwindel, der bei Aufklärung schon für so manche Überraschung gesorgt hat.
Meyer-Näkel: schwesterlich geteilt
Werner Näkel hat das kleine Weingut an der Ahr mit seinen Spätburgundern zu internationaler Bekanntheit geführt. Seine Nachfolge haben die Schwestern Meike und Dörte Näkel angetreten. Der Generationenwechsel ist gut vorbereitet. Meike und Dörte machen zunächst eine Winzerausbildung, bevor sie an der Fachhochschule Geisenheim Weinbau studieren. Bei ihrer Rückkehr ins elterliche Weingut übernehmen sie mehr und mehr Verantwortung und können doch auf Rat und Tat des Vaters zurückgreifen. Der Erfolgsgeschichte des VDP-Weinguts Meyer-Näkel tut dies keinen Abbruch, Weinkritiker und Spätburgunder-Fans sind vom Handwerk der beiden Schwestern überzeugt. Diese große Anerkennung spiegelt sich auch beim Verband der Deutschen Prädikatsweingüter, kurz VDP, wider. 2019 wird Meike Näkel als erste Frau in der Geschichte des VDP in den Vorstand des Bundesverbandes gewählt.
Königin, Winzerin, Lady: Judith Dorst
Judith Dorst war Weinkönigin in Rheinhessen und Deutsche Weinprinzessin, doch ihr eigentlicher, selbstgewählter Titel ist der einer Lady. Weine, die diesen Zusatz vor dem Namen tragen, geben tatsächlich preis, dass sich hinter der Lady auch eine Lady verbirgt. Judith Dorsts große Stärke sind die geradlinig und schlank im Stahltank ausgebauten Weißweine, die mit präziser Fruchtaromatik und ganz viel Weinspaß auftrumpfen. Mit diesem Stil und der Qualität der Weine, hat Lady Dorst bei Weinfreunde eine treue Gefolgschaft aufgebaut.
Nachwuchs gesichert: Julia Oswald
Auch um den Winzerinnen-Nachwuchs ist es in Rheinhessen gut bestellt. So gewann Julia Oswald bei der 2020er Auflage des renommierten DLG-Wettbewerbs „Jungwinzerin und Jungwinzer des Jahres“ den zweiten Platz. Erst 24 Jahre alt, doch schon voll in der Verantwortung auf dem elterlichen Weingut Burghof Oswald. Bereits im Vorjahr kam mit Anika Hattemer-Müller eine Preisträgerin aus Rheinhessen.
Pionierin mit Weitblick: Bettina Bürklin von Guradze
Haben die Jungwinzerinnen Vorbilder, wollen sie gar welche sein. Eine Frage, die man so einem Winzer nicht stellen würde – eben, weil es doch nur wieder um das Geschlecht geht. Gern wird in diesem Zusammenhang auf Bettina Bürklin von Guradze verwiesen. Sie taugt als Pionierin und erfolgreicher Kopf eines der renommiertesten Weingüter der Republik. Seit über 30 Jahren schon leitet sie die Geschicke des VDP-Weinguts Bürklin-Wolf aus der Pfalz. Bürklin von Guradze klassifizierte beispielsweise die Weine schon nach einem vierstufigen, vom Burgund entlehnten System in Grand Cru, Premier Cru, Ortsweine und Gutsweine, als es noch gar keine Lagenklassifikation des VDP gab. Mit großer Entschlusskraft und Weitsicht stellte sie das Weingut 2005 auf biodynamischen Anbau um. Ein Kraftakt, aber ein notwendiger Schritt, um die Weine naturnäher und noch besser zu machen, wie Bürklin von Guradze meinte. Nicht das einzige Mal, dass sie recht behielt.
Noch mal Nachwuchs: Vera Keller
Die Pfälzerin unter den diesjährigen Preisträgern des DLG-Wettbewerbs „Jungwinzerin und Jungwinzer des Jahres“ ist Vera Keller. Wie soll es anders sein: Auch sie Tochter einer Winzerfamilie, auch sie bestens ausgebildet und wild entschlossen, Generation Nummer vier zu sein, die auf dem Familienweingut arbeitet. Mit der eigenen Weinlinie hat sie schon mal vorgelegt. Vera Keller ist aktuell 26 Jahre alt und weiß genau, welchen Weinstil sie verfolgt. Diesen Kurs verfolgt sie mit Ausdauer und Beharrlichkeit – aber das ist vielleicht eher dem „Jung“ als nur der „Winzerin“ geschuldet. Und die Frage nach dem Geschlecht wäre endlich zweitrangig.
Das Gender-Ding rückt sofort wieder in den Mittelpunkt, sobald wir über einen typischen, weiblichen Weinstil diskutieren. Gehen weibliche Weinmacherinnen tatsächlich feinfühliger mit den Trauben um, sind Ihnen Finesse und Eleganz generell wichtiger als Körper und Statur? Zugegeben, diese Damenwahl ist eine sehr eingeschränkte, die erst recht nicht die Stilfrage beantworten kann. Das muss Platz in einem eigenen Beitrag finden. Aber beispielhaft sind die vorgestellten Frauen allerdings für ihre Position im Wein-Business. Dessen ungeachtet bleiben noch so viele Winzerinnen zu entdecken, nicht nur in Deutschland, sondern in aller Weinwelt. Denn der unfreiwillige Etikettenschwindel bleibt uns ja erhalten.